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01.01.2013
Hallo Frau Bonk,
Hier also endlich Neuigkeiten von unserem Schützling "Joshua", die ich Ihnen berichten möchte.
Der junge Mann wohnt jetzt seit Oktober 2011 bei uns und dies war für uns eine mehr als ereignisreiche Zeit. Wir hatten Joshua als Notfall direkt aus der Tötung übernommen und Sie konnten uns damals nicht viel über seinen Charakter sagen.
Ich weiß nicht was er in seinem früheren Leben schlimmes erlebt hat, auf jeden Fall stellte sich nach den ersten Hundebegegnungen im Wald heraus, das er absolut unverträglich mit Artgenossen war. Er ist jedes Mal wenn er einen anderen Hund gesehen hat so panisch ausgerastet, das er dann wild um sich gebissen hat. Ich habe ihm dann ein Geschirr von K9 extra mit Haltegriff gekauft, damit ich diesen, an Halsband und Geschirr gesicherten, wild um sich beißenden Hund soweit von mir weg halten konnte, das er mich nicht auch noch ernsthaft verletzen konnte. Ich weiß nicht wie viele Blutergüsse ich in dieser Zeit an den Beinen hatte. Unsere erste Hundetrainerin hatten wir nach kurzer Zeit verschlissen, nachdem sie mir zeigen wollte wie man mit so einem Hund umgeht und dabei selber wirklich schlimm in die Wade gebissen wurde.
Seltsamerweise hatte Joshua keine Probleme mit unserer grundguten Bardino-Hündin "Loopa". Doch leider ist diese einen Monat später im November bei einer einfachen Operation an der Narkose gestorben. Die schlichtende Loopa war Joshuas Fels in der Brandung und dass sie dann plötzlich nicht mehr da war machte die Sache nicht unbedingt einfacher. Dazu kam, dass er Anfang Feb. eine heftige Beißerei mit einem Nachbarhund hatte, der ohne Aufsicht aus deren Einfahrt auf meinen angeleinten und mit Halti ausgebundenen Hund zugeschossen kam. Da die beiden Hunde schon vorher 2 x einen unerfreulichen Zusammenstoß hatten, bei dem der Nachbarshund jedes Mal unangeleint auf Joshua zugekommen ist, habe ich Joshua losgelassen, damit er nicht auch noch das Gefühl haben musste mich auch noch zu verteidigen und dann ging es diesmal richtig zur Sache und wir mussten die Hunde gewaltsam trennen. Beide hatten Bissverletzungen und wir mussten zum Tierarzt. Leider half alles Reden mit der Besitzerin des anderen Hundes nichts, im Gegenteil, die Dame hat mich dann noch beim Ordnungsamt angezeigt, das ich einen schwerst gefährlichen und unberechenbaren Hund hätte, der in einem Wohngebiet nichts zu suchen hätte. Und wie das nun einmal bei deutschen Behörden so ist, wenn man erst einmal angezeigt wird müssen die Beamten auch ermitteln und man selber muss sich verteidigen auch wenn man gar nicht Schuld an so einem Vorfall ist. Wir sind dann letztlich "nur" verwarnt worden und Joshua darf nur noch mit Maulkorb oder Halti auf die Strasse.
Ich hatte vorher mit Joshua in einer wirklich guten Hundeschule (www.hundehalterschule.de) beim Kreistraining schon schöne Fortschritte gemacht, doch nach diesem Vorfall war an Gruppenstunde mit anderen Hunden überhaupt nicht mehr zu denken. Wir haben dann über Monate Einzeltraining mit Joshua gemacht, bei dem die Hundetrainerin dann nach einiger Zeit ihren eigenen Hund und den Hund der Auszubildenden dazu genommen hat. So haben wir Joshua in wirklich kleinen Schritten langsam wieder an andere Hunde gewöhnt. Das laufen im Wald war aber die meiste Zeit des Jahres ein absoluter Alptraum. Jedes Mal wenn wir einen anderen Hund schon von weitem gesehen haben bin ich mit einem panischen Hund ins Unterholz getürmt. Auch kannte der kleine Kerl keine Schafe, Hühner, Pferde, den Wald mit rauschenden Blättern, Busse usw. alles hat ihn in Panik versetzt. Ich habe den Eindruck dass er in einem kleinen Hinterhof gelebt hat und dort niemals etwas anderes kennen gelernt hat. Dies ist zwar jetzt schon sehr viel besser geworden, er zeigt nicht mehr diese völlig unkontrollierten Ausraster, versucht auch nicht mehr auf Menschen loszugehen, ist aber immer noch sehr aufgeregt, hüpft wenn er etwas neues sieht wie ein Flummi auf und ab und will blitzartig zu dem ihm Angst machenden Gegenstand oder Geräusch hin stürmen. Daher ist es zu seiner eigenen Sicherheit überhaupt nicht möglich ihn in absehbarer Zeit abzuleinen. Sein Jagttrieb hält sich wirklich in Grenzen, aber dieses unkontrollierte zulaufen auf alles was ihm Angst macht ist ein wirkliches Problem und ich habe sehr oft das Gefühl das ich Joshua immer wieder vor sich selbst schützen muss.
Ich habe eine sehr gute Tierheilpraktikerin gefunden, die ihm durch Bachblüten und verschiedenen Globuli sehr gut geholfen hat seine Unsicherheit einzudämmen. Ich weiß nicht wie oft ich im vergangenen Jahr mit Joshua bei ihr war. Gleichzeitig haben wir festgestellt dass er extrem auf jede Art von Getreide reagiert. Im wahrsten Sinne "ihn sticht der Hafer". Daher habe ich seine Ernährung auf Barfen umgestellt. So weiß ich ganz genau was in seinem Futter enthalten ist.
Im Sommer habe ich angefangen 2x in der Woche bei einer anderen Hundeschule mit ihm in die Spielstunde zu gehen, damit er Sozialkontakt mit anderen Hunden lernt. Er durfte dort mit Maulkorb bewaffnet in der Hundegruppe mitlaufen. Das hat auch mit den meisten Hunden wunderbar geklappt, nur große unkastrierte Rüden, besonders Schäferhunde oder sehr dominante große Hündinnen greift er sofort, ohne Vorwarnung wirklich bösartig an. Auch wenn die anderen Hunde beschwichtigen und wirklich keinen Streit möchten reagiert er darauf nur mit Angriff. Wenn er keinen Maulkorb tragen würde käme es dort zu wirklichen Verletzungen. Die Trainerin hat diese Angriffe auf Video aufgenommen und es sieht wirklich erschreckend aus mit welcher Wut und ohne Vorwarnung Joshua mit weiß in den Augen diese Hunde angreift. Sie erklärt seine Angriffe damit, dass er niemals Sozialverhalten gelernt hat. Ich meine jedoch meinen Hund jetzt soweit zu kennen um ihr damit nicht recht geben zu können. Joshua ist ein vollkommen chaotischer, nervöser Hund der mit vielen äußeren Reizen völlig überfordert ist, jedoch ist er sicherlich nicht bösartig. Ich denke mir eher dass er als junger Hund von anderen für ihn großen Hunden gemobbt worden ist und dass er nicht weglaufen konnte, (weil er vielleicht angebunden war??? Daher evtl. auch seine besondere Aggression an der Leine???) und das er jetzt mit bestimmten großen Hunden dieses Trauma wiedererlebt. Jedenfalls hatte er zuletzt überhaupt keine Zeit mehr mit den anderen Hunden zu spielen, sondern war nur die großen Hunde am kontrollieren die dann in einem anderen Paddock spielten, die er aber sehen konnte. Als ich dann auch noch gemerkt habe das Joshua im Laufe der Besuche immer hektischer und auch körperlich immer dünner wurde, habe ich mit der Spielstunde wieder aufgehört. Parallel dazu haben wir in der Hundehalterschule mit noch 3 anderen nicht ganz einfachen Hunden einen Kurs in Obilety angefangen. Hier ist immer nur ein Hund frei laufend im Parcours, die anderen Hunde warten im Mittelgang. Joshua findet die Parcoursarbeit wie überhaupt alles was man in dieser Hundeschule machen kann absolut klasse. Er ist dabei "heiß wie Frittenfett" bis er endlich an der Reihe ist und dann rennt er erst einmal in einem Affenzahn mehrere Runden im Parcours, schaut mich dabei an, lächelt und teilt mir mit das er die Reihenfolge schon verstanden hat und rast erst einmal mehrmals über alle Hindernisse. Es dauert immer eine halbe bis 3/4 Stunde bis er soweit heruntergefahren ist, das wir zwischen jedem Hindernis eine recht passable Fußarbeit hinbekommen. Doch wenn er dann mitarbeitet ist er einfach nur klasse, super motiviert und begreift unglaublich schnell was er machen soll.
Er ist der widersprüchlichste Hund den ich je kennen gelernt habe.
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